Was die ReFlex-Bewegung reziproken und vollrotierenden Antrieben voraus hat

ReFlex-Bewegung – neue Technologie, die Bewegung der Belastung anpasst

Vollrotierende und reziprokierende Antriebssysteme arbeiten mit einer kontinuierlichen Vorwärts- bzw. Vorwärts/Rückwärts-Bewegung und erfassen ausschließlich das Drehmoment am Instrumentenschaft. Sie reagieren standardisiert auf Drehmomentgrenzen, unabhängig davon, in welchem Feilenbereich die Drehmomentgrenze überschritten wird.

Die patentierte ReFlex-Bewegung des EndoPilot² startet in vollrotierender Arbeitsweise und ermittelt zusätzlich zum Drehmoment fortlaufend durch kleine, kaum wahrnehmbare Messpausen die auftretende Torsionsspannung der Feile. Eine Torsionsspannung wirkt auf das Instrument, wenn sie beim Rotieren auf Widerstand stößt, der eine gegen die Drehbewegung gerichtete Kraft erzeugt. Dies kann beispielsweise durch die Wände des Wurzelkanals oder durch Verhärtungen im Kanal verursacht werden. Die ReFlex-Bewegung bestimmt über die Torsionsspannung, in welchem Bereich (koronal, zentral oder apikal) die Drehmomentgrenze überschritten wurde. Abhängig von Intensität und Ort der Belastung, passt der Endomotor die Bewegungen individuell an. Erhöht sich beispielsweise die apikale Torsionsbelastung plötzlich stark, wechselt die Feile in den reziprokierenden Modus, um die zu hohe Torsion unmittelbar zu reduzieren und eine Feilenfraktur zu verhindern. Es handelt sich bei der ReFlex-Bewegung also um ein individuell reaktives Muster. Diese intelligente Differenzierung der ReFlex-Bewegung minimiert Feilenfrakturen und optimiert die Leistung der Feile, indem sie grundsätzlich unter normalen Einsatzbedingungen vorwärts schneidet und nur bei apikaler Klemmung in den Reziprok-Modus wechselt. Bei geringer Belastung der Feile führt ReFlex keine aktive Entlastungsbewegung aus. Auch bei starker koronaler Belastung bleibt dies aus, da der größere Feilenquerschnitt kaum Torsion unterliegt. Stattdessen stellt ReFlex im koronalen, stärkeren Bereich der Feile ein höheres Drehmoment zur Verfügung. Die Vermeidung unnötigen Rückwärtsdrehens mit der ReFlex-Bewegung, verringert den Verschleiß der Feile und steigert die Effizienz der Aufbereitung.

Experiment ReFlex vs. Reziprok

Die Überlegenheit der ReFlex-Bewegung gegenüber der Reziprok-Bewegung kann durch ein einfaches Experiment veranschaulicht werden.
Um eine Verklemmung des Instruments zu simulieren, wird die Feile an der Spitze fest eingespannt. Anschließend wird das Instrument einmal mit der Reziprok-Bewegung und einmal mit der ReFlex-Bewegung betrieben. Das Ergebnis dieses Experiments wurde mit einer Ultra-Slow-Motion-Kamera aufgezeichnet.
Wie in dem Video zu sehen ist, kommt es im reziproken Betrieb nach kurzer Zeit zu einem Feilenbruch, da die reziproke Bewegung die Belastung der Feile nicht erfasst und trotz der Blockade in Schneidrichtung dreht. Dies führt zu einer stetig zunehmenden Belastung der Instrumentenspitze und schließlich zum Bruch.
Die ReFlex-Bewegung hingegen erfasst Ort und Intensität der Belastung über die Torsionsspannung der Feile. Sie erkennt, dass die Feile klemmt, und reagiert mit sanften Entlastungsbewegungen, bis keine Blockade mehr registriert wird.

Anders als bei Reziprok schiebt die ReFlex-Bewegung kein Debris nach apikal

Die Überpressung von infiziertem Material über den Apex geht häufig mit postoperativen Schmerzen einher. Reziproke Antriebe haben den Nachteil, dass sie durch die Rückwärtsbewegung, nach festem Muster, Debris nach apikal transportieren.
Während schneidende Bewegungen Debris nach koronal befördern, transportieren Rückwärtsbewegungen das infizierte Material weiter nach apikal. Am Apex kann dies schwerwiegende Folgen für die Aufbereitung haben, da infiziertes Material, das über den Apex hinaus geschoben wird, nicht entfernt werden kann, ohne das Risiko einer Überinstrumentierung einzugehen. Bürklein und Schäfer führten dazu eine In-vitro-Untersuchung durch, welche die Extrusion von Debris mit reziproken Instrumenten untersuchte. In ihrer Publikation schrieben sie, dass eine fast doppelt so große Menge an Debris mit reziproken Instrumenten überpresst wird als mit rotierenden Systemen.
Die ReFlex-Bewegung beugt einer Kontamination des Periapex vor, indem sie im Gegensatz zur reziproken Bewegung nicht in jedem Schneidzyklus eine Rückwärtsdrehung ausführt. Stattdessen dreht sie nur rückwärts, wenn die Belastung der Feile zu hoch wird und die Gefahr einer Fraktur besteht. Mithilfe dieser intelligenten Steuerung vereint die ReFlex-Bewegung das Beste aus den beiden Welten der vollrotierenden und reziprokierenden Endomotoren.

Technische Funktionsweise der ReFlex-Bewegung

Die ReFlex-Bewegung dreht eine definierte Zeit in Schneidrichtung. Darauf folgt eine kaum wahrnehmbare Messpause, in der der aktive Antrieb abgeschaltet wird. Aufgrund der Verspannung fungiert nun die Feile selbst wie ein Antrieb und dreht den Motor passiv rückwärts, was eine messbare Motorspannung generiert. Darauf basierend kann die Software Stärke und Position der Verspannung an der Feile bewerten.
Abhängig von der bewerteten Verspannung dreht ReFlex weiter vorwärts oder führt sanfte Entlastungsbewegungen aus, um einer Fraktur vorzubeugen. Auch wenn Ermüdungsbrüche weiterhin auftreten können, wird das Risiko von Überlastungsbrüchen mit ReFlex auf ein Minimum reduziert.
Eine Gegenüberstellung der drei verschiedenen Bewegungsarten Vollrotation, Reziprok und ReFlex ist in der folgenden Tabelle zu sehen.


Vollrotation

Reziprok

ReFlex

Beschreibung

Rotiert in Schneidrichtung bis zum Erreichen einer Drehmomentgrenze.

Feile dreht in Schneidrichtung einen bestimmten Winkel vorwärts und sofort einen kleineren Winkel rückwärts.
Feile dreht somit aktiv kontinuierlich hin- und her. 

Feile dreht eine definierte Zeit in Schneidrichtung und ermittelt in kaum wahrnehmbaren Messpausen die Torsionsspannung der Feile. 

Software bewertet Stärke und Position der Torsionsspannung an der Feile.

Abhängig von der bewerteten Verspannung dreht die Feile weiter vorwärts oder aber rückwärts, um eine Fraktur zu verhindern.


Bewegungsart

Kontinuierlich
vorwärts

Kontinuierlich
 vorwärts / rückwärts

Variabel
Intelligente Regelung


Sicherheit

Begrenzt, in Abhängigkeit der Drehmomentgrenze

unterschiedlich.

Eher gering, je nach Arbeitsweise unterschiedlich.

Im Smart-Modus sehr hoch,
eine starke Verwindung an der Feilenspitze wird erkannt und reduziert die Frakturgefahr.

Effizienz

Gut

Hoch

Debris wird nach apikal geschoben

Hoch
Unnötiges Rückwärtsdrehen wird vermieden. Abtransport des Debris wird gefördert.

ReFlex – Implementierung im EndoPilot²

Das patentierte ReFlex-System wurde im EndoPilot² mit der Procodile®-Feile (Fa. Komet) integriert.
Die Procodile®-Feile kann in den zwei verschiedenen Einstellungen ReFlex smart und ReFlex dynamic betrieben werden.  

Unterschiede:

  • ReFlex smart arbeitet fühlbar sensitiv bei Verspannungen. Die Sicherheit ist hier besonders hoch.
  • ReFlex dynamic arbeitet besonders zügig und bietet somit ein Plus an Effizienz bei der Aufbereitung.

Bei schwierigen Kanalkonfigurationen sollte auf den taktileren Smart-Modus gewechselt werden. 

ReFlex smart

Im ReFlex smart Modus reagiert die Regelung, abhängig vom Ort der Belastung an der Feile, spürbar sensitiv. Klemmt die Feile im apikalen Bereich, reagiert der Motor mit einer sanften Entlastungsbewegung. Wenn die Verspannung hingegen im koronalen, kräftigen Bereich der Feile liegt, wird ein höheres Drehmoment zur Verfügung gestellt. Die intelligente ReFlex smart Bewegung arbeitet, wenn nötig, sowohl vorsichtig und sanft als auch effektiv und zügig.

  • Erhöhte Sicherheit und taktiles Arbeiten bei der Anwendung
  • Ideal für komplexere Kanalanatomien durch sensibles Vorgehen bei starker Torsionsverspannung des Instrumentes
  • Belastungsabhängige, intelligente Wurzelkanalaufbereitung 
  • Taktil, wenn benötigt, effektiv und zügig, wenn möglich

ReFlex dynamic

Im ReFlex dynamic Modus steht besonders die Effizienz bei der Aufbereitung im Vordergrund. Erst ab einer definierten Verspannung der Feile wechselt der Motor in eine kurze Rückwärtsbewegung, um die Feile zu entspannen. Schnellstmöglich geht es danach wieder in Vorwärtsrichtung voran. Mit der ReFlex dynamic Bewegung ist eine sehr schnelle und effiziente Aufbereitung der Wurzelkanäle möglich. Die Drehmoment- und Verspannungsgrenzen sind in diesem Modus deutlich höher.

  • Sehr schnelles und maximal effizientes Arbeiten
  • Ideal für einfache Kanalanatomien
  • Vergleichbar effizient zur vollrotierenden Bewegung

Dr. Rüdiger Lemke, Oberarzt am Universitätsklinikum Hamburg über die ReFlex-Bewegung

Dr. Rüdiger Lemke, Dozent an der Universität Hamburg und Oberarzt an der Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung, beurteilt nach ersten Testerfahrungen die ReFlex-Bewegung im Interview.

Herr Dr. Lemke, sprechen wir zuerst über ReFlex Smart. Was verbirgt sich hinter dem neuen Bewegungsmuster?

Dr. Lemke: Das Interessante und Neuartige steckt tatsächlich schon im Produktnamen, dem Reflex, also dem unmittelbaren Reagieren auf eine Situation. ReFlex Smart arbeitet in einer Vollrotation, währenddessen innerhalb kürzester Zeitintervalle kontinuierlich Messungen vorgenommen werden. Sie erfassen die Drehmomentbelastung in Abhängigkeit von der Verspannung der Feile. Damit erkennt das Gerät, in welchem Bereich das Aufbereitungsinstrument aktuell belastet ist, also ob die Verspannung mehr apikal oder mehr koronal vorliegt. Die ermittelten Werte lassen ReFlex Smart individuell reagieren: Je nach Intensität und Ort der Verspannung bzw. Klemmung- also apikal, im mittleren Bereich des Instrumentes oder koronal- geht das System auf unterschiedliche Art und Weise damit um. Verklemmt die Feile z.B. koronal, ist die Frakturgefahr geringer, als wenn dies apikal passieren würde. Genau darauf ist das reaktive Muster von ReFlex Smart abgestimmt. Hier wird also nicht pauschal eine Rückwärtsbewegung eingeleitet, sondern individuell reagiert, evtl. sogar mit einer verstärkten Vorwärtsbewegung, wenn die Klemmung mehr im koronalen Bereich gemessen wurde. Diese Differenzierung ermöglicht es, dass die Feilen bei der Wurzelkanalaufbereitung kontrolliert entsprechend ihrer Stressbelastung in Funktion sind.

Was bedeutet diese situative Anpassung konkret für den Zahnarzt bei der Behandlung?

Das individualisierte Kontrollmuster soll dazu führen, dass das- zwar geringe, aber grundsätzlich vorhandene- Restrisiko einer Feilenfraktur v.a. im apikalen Bereich noch weiter sinkt, bei gleichzeitig effizienter Aufbereitung. ReFlex Smart bringt dem Zahnarzt dahingehend also eine erhöhte Sicherheit bei der Wurzelkanalaufbereitung. Das gilt insbesondere für komplexe Kanalanatomien, weil hier Klemmfrakturen im apikalen Bereich entgegengewirkt wird.

ReFlex Smart ist eine patentierte Bewegung. Würden Sie als Kliniker mit Adlerperspektive soweit gehen, dies als eine echte Innovation für die Endodontie zu bezeichnen?

Vollrotierende und reziprokierende Antriebsysteme arbeiten mit einer kontinuierlichen Vorwärts- bzw. Vorwärts/Rückwärts-Bewegung und mit Drehmomentgrenzen, auf die sie standardisiert reagieren, im konkreten Fall also anhalten. Das tun sie unabhängig davon, in welchem Abschnitt des Instrumentes diese Drehmomentgrenze eingetreten ist. Hier findet keine Differenzierung statt.

ReFlex Smart hingegen unterscheidet, in welchem Abschnitt der Feile die Drehmomentbelastung des Instrumentes vorliegt, und reagiert individuell darauf. Das ist auf jeden Fall ein Novum. Das System kontrolliert in sehr kurzen Zeitintervallen die Stressbelastung des Aufbereitungsinstrumentes und reagiert dann individuell. Das ist ein komplett neuer Ansatz, wie man mit Torsionsverspannungen von Feilen umgeht. Insofern ist eine zunehmende Intelligenz der Kontrollmechanismen der Antriebssysteme zu beobachten.

Kommen wir nun zum zweiten Modus der neuen ReFlex-Bewegung im EndoPilot. Was steckt hinter ReFlex Dynamic?

Es handelt sich hier ebenfalls um eine Vollrotation, die durch „Mess-Checks“ unterbrochen wird. Dahingehend gleicht ReFlex Dynamic also der Smart-Variante. ReFlex Dynamic arbeitet u.a. durch die höhere Rotationsgeschwindigkeit des Instrumentes noch effizienter. Demgegenüber erfolgen die Messungen der Torsionsverspannung im ReFlex Smart-Modus sensitiver und demzufolge sind auch die Reaktionen im Antriebssystem individueller darauf abgestimmt. Damit steht der Sicherheitsaspekt bei diesem Modus noch weiter im Fokus. Grundsätzlich gilt aber, dass beide Systeme wenn die Feile drehmomentbelastungsfrei läuft vollrotierend drehen und durch dieses Grundprinzip der Vollrotation auch der Debristransport nach apikal eher reduziert ist.

Geht die regelmäßige Kontrollfunktion der ReFlex-Bewegungen auf Kosten von Behandlungszeit?

Die „Messpausen“ beider Systeme sind so kurz, dass sie für den Behandler kaum wahrnehmbar sind. Optisch sieht es demzufolge fast wie eine kontinuierliche Vollrotation aus. Dadurch unterscheiden sich die Aufbereitungszeiten auch im Wesentlichen nicht von anderen Antriebsarten. In Kombination mit dem neuen Feilensystem ist speziell in der ReFlex Dynamic-Variante eine schnelle und effiziente Aufbereitung der Wurzelkanäle möglich. Im direkten Vergleich zwischen ReFlex Smart und ReFlex Dynamic ist ein Unterschied in der Aufbereitungszeit zugunsten der ReFlex Dynamic-Variante feststellbar. Das zeigt aber auch, dass der Kontrollmechanismus und die damit verbundenen Reaktionen von ReFlex Smart sensibler mit Torsionsverspannungen umgehen.

Welche Punkte sind Ihrer Meinung nach ausschlaggebend, für welche der 2 Bewegungen sich der Zahnarzt auf dem EndoPilot entscheidet?

Primär wird es die Erfahrung im Umgang mit maschineller Endodontie sein. Für unerfahrenere Behandler bietet der ReFlex Smart-Modus Vorteile. Unsicherheiten im Handling, wie beispielsweise zu lange Standzeiten im Kanal oder zu viel Aufbereitungsdruck, sind vom ReFlex Smart eher zu kompensieren. Damit bietet ReFlex Smart eine potenzielle „Sicherheitsmarge“. Diejenigen, bei denen mehr die Aufbereitungseffizienz im Vordergrund steht, werden die ReFlex Dynamic-Variante wählen. Was sie aber nicht davon abhalten sollte, bei schwierigen Kanalkonfigurationen möglicherweise auf den taktileren Smart-Modus umzuschalten. Kombinationen der beiden Bewegungen sind also situationsabhängig durch- aus denkbar. Was man aber wissen sollte: Beide Bewegungen sind auf das Procodile-System abgestimmt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Quelle:
"Komet Dental." Interview mit Rüdiger Lemke. ZMK, 2019, https://contenthub.kometdental.com/infocenter/files/201904_ZMK.pdf.